29. Juli 2014
In
F. Zawrel, Presse, Puppenspiel
Der „Grünschnabel 2014“
Der „Grünschnabel“ 2014 geht an das Schubert Theater Wien
Der Regierungsrat des Kantons Aargau verlieh am 11. Figura Theaterfestival 2014 in Baden zum sechsten Mal den Förderpreis für junges Figurentheater «Grünschnabel». Er zeichnet damit eine junge Bühne aus, die sich am Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit befindet und mit Ausdrucksformen des Figuren- und Objekttheaters auf künstlerisch eigenständige und herausragende Art arbeitet.
Rund 24 Gruppen aus 7 europäischen Nationen, Israel, Chile und USA haben sich für den „Grünschnabel“ 2014 beworben.Gewinner: Schubert Theater, Wien mit „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ Die wahre Geschichte über Friedrich Zawrel, der während der NS-Zeit aus der Wiener Krankenanstalt „Am Spiegelgrund“ fliehen kann und später seinem früheren Peiniger erneut begegnet. Die Klinik erlangte damals aufgrund der Behandlung und Ermordung von kranken, behinderten und vermeintlich erblich belasteten Kinder traurige Berühmtheit. Ein schwerer Brocken Zeitgeschichte, der durch das eindringliche Spiel Nikolaus Habjans zutiefst berührt. Laudatio für „F . Zawrel„, vorgetragen von Monika Schärer: Was der junge Puppenspieler Nikolaus Habjan – in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Simon Meusburger – auf die Bühne bringt, ist dokumentarisches Theater mit Klappmaul-Puppen: mutig, unter die Haut gehend, nachhaltig. Erzählt wird die ungeheuerliche wahre Geschichte von Friedrich Zawrel – der im faschistischen Österreich als Kind in einer Krankenanstalt zu medizinischen Versuchszwecken missbraucht wird, dem die Flucht gelingt und der Jahre später von demselben Arzt Dr. Gross erneut als „erbbiologisch und sozial minderwertig“ eingestuft und weggesperrt wird.
Für die Vermittlung dieser grausamen Geschichte haben Habjan und Meusburger eine adäquate Umsetzung gefunden mit Puppen, die als grotesk überzeichnete Doubles der Protagonisten einsetzt werden und einem Spieler, der zusätzlich selber in verschiedene Rollen schlüpf. Jede Figur hat ihren eigenen Duktus, ihre eigene Stimme. Zwei Stunden Text! Und trotz gewisser dramaturgischer Schwächen – Stichwort Redundanz – sind die zwei Stunden von der ersten bis zur letzten Minute: Packend!Wenn die Puppen abgelegt werden, behalten sie ihre Präsenz. Berührend das Kind in Embryo-Stellung, das auf einer Stehle liegt. Oder das ermordete Kind, das aus dem Versuchslabor abtransportiert wird. Es ist Ausdruck der Hilflosigkeit der Kinder im Heim. Sparsam umgegangen wird auch mit den Projektionen – einem verführerischen Theatermittel. Hier werden sie genutzt, um den Raum kurz und notwendig aufzutun – einmal, um die Nazi-Zeit zu veranschaulichen, ein andermal, um die Flucht aus dem Kinderheim sichtbar zu machen.
Nikolaus Habjan, der junge Puppenspieler, ist mehr oder weniger aus Zufall auf die Geschichte von Friedrich Zawrel gestossen – diesem Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, die bis heute ihre tragischen Auswirkungen zeigt. Dass Habjan die Lebensgeschichte dieses Zeitzeugen zu seinem persönlichen Anliegen macht, dieses dunkle Kapitel österreichischer Geschichte in die Öffentlichkeit bringt, ist Ausdruck von grossem menschlichem Mut gepaart mit künstlerischer Ausdruckskraft. Und ich als Filmemacherin möchte noch anfügen: Wäre dieser Figura-Theaterabend ein ebenso gelungener Dokumentarfilm – er hätte einen Oscar verdient!