
Theaterkritik von Hermann Götz
Falter 44/2014 29.10.2014
Theaterkritik von Hermann Götz
Endlich hat Graz seinen Nikolaus Habjan entdeckt. Doch erst musste der 1987 in der Murstadt geborene Puppenspieler und Opernregisseur das Burgtheater und den Nestroypreis erobern. Dabei war Habjans Kunst nie ein Nischenprodukt. Nichts daran ist sperrig oder übertrieben originell. Habjan ist einfach nur … gut. Richtig gut. Nun also inszeniert er auf der Grazer Probebühne „Das Missverständnis“ (Sa, So, 20.00) von Albert Camus. Unterstützt wird er dabei durch den kongenialen Bühnenbildner Jakob Brossmann. Seyneb Saleh und Florian Köhler agieren gemeinsam mit dem Meister und seinen Puppen auf der Bühne. Dabei steht vor allem eines im Vordergrund: im Hintergrund bleiben! Die Stars dieses Abends sind die Puppengesichter, die Habjan direkt aus dem Text geschnitzt zu haben scheint, außerdem Brossmanns raumgreifender Bühnenbau mit Puppenhaus, die drei perfekt eingesetzten Stimmen und der ruhige Fluss ihrer Erzählung. Prisenweise würzt Habjan seinen Abend mit Ingredienzien von Kleinkunst und großer Oper: Leise Melancholie weht heran, bitterzarte Zwischentöne, dazu Anflüge von Ironie und Gruselkino . Da dringt die emotionale Radikalität der Textvorlage durch wie im Vorbeigehen. Albert Camus’ gnadenlose Hymnen auf die Absurdität der Existenz sind etwa so modern wie Hits von gestern. Eher gar nicht. Sie umzusetzen erscheint kaum naheliegender als eine neue Coverversion von „Knockin’ on Heaven’s Door“. Doch Habjan tut es einfach. So unbefangen und schön, dass nur zu sagen bleibt: Hingehen! In einem intimen Rahmen wie diesem ist der Mann bestimmt nicht mehr oft zu erleben.
Falter 29.10.2014