Schatten (Eurydike sagt)
von Elfriede Jelinek
Burgtheater, Premiere, 17.01.2013
Regie: Matthias Hartmann,
Bühne: Johannes Schütz
Kostüme: Tina Kloempken,
Musik: Karsten Riedel, Lucas Gregorowicz,
Licht: Peter Bandl,
Dramaturgie: Amely Joana Haag
Mit: Elisabeth Augustin, Brigitta Furgler, Sabine Haupt, Alexandra Henkel, Katharina Lorenz, Christiane von Poelnitz, Yohanna Schwertfeger, Lucas Gregorowicz und Nikolaus Habjan (Puppenspieler).
Jurybegründung, Nestroy-Preis für bestes Stück, Autorenpreis 2013
Während Orpheus stets freudig trällert, bleibt Eurydike die längste Zeit stumm. Elfriede Jelinek, Nobelpreisträgerin und produktivste Dramatikerin des Landes, dreht den Spieß um und gibt im Stück „Schatten (Eurydike sagt)“ der Nymphe, die ihrem Gatten aus der Unterwelt folgt, eine Stimme. Die ins Heute übertragene monologische Reflexion beschreibt die Abhängigkeit einer Frau (einer Schriftstellerin) von ihrem Popstargatten, der sie gern als Bewunderin und Applausspenderin zurückholen möchte. Eurydike will aber nicht mehr. Die radikale Selbstbefragung in Jelineks formidabel leichtem Text entwickelt aus simplen Kalauern einen entspannten und schelmenhaften Grundton, der seinerseits freilich nichts Gutes verheißt. Das ist die große Kunst der Autorin: Dem Tragischem mit satirischen Verfahren beizukommen. Jelinek erteilt hier den feministischen Gesellschaftsutopien eine Absage. Dabei bleibt diese Erkenntnisrede immer süffig und leicht, und gibt dem Theater, was es dringend braucht: Sprachkunst und die Aufforderung zur Formgebung. (Margarete Affenzeller)
Kritiken
Jelinek wird zur grell geschminkten, dick bebrillten, faltigen Puppe mit der bekannten Frisur (Knödel oben, langes, verzopftes Haar), die, von Puppenspieler Nikolaus Habjan geführt, mit einem Manuskript in der Hand meist an der Rampe mitverfolgt, wie sich die Geschichte der armen, von der Schlange zu Tode gebissenen Eurydike in der Unterwelt entwickelt. Die Puppe kann zufrieden sein.
(Presse, Norbert Mayer, 19.01.2013)
Jelinek berichtige die „alte Sage“ und zwar ziemlich komisch. Die Frau und die Liebe sei Orpheus nicht wichtig, nur sein Ruf, dass er die Götter „umdrehen könne“. Der Puppenspieler mit der Jelinek-Puppe sei eine ganz tolle Idee von Hartmann, die ganze Geschichte sei eine Farce. (Ulrich Fischer in der Premierennacht in „Fazit“ auf Deutschlandradio Kultur,17.1.2013)
„Sehr hübsch“ findet Elfriede Jelinek ihr artifizielles Abbild. Auch wenn die Frisur der Puppe, die in Matthias Hartmanns Inszenierung ihres Stücks „Schatten (Eurydike sagt)“ ab Donnerstag im Akademietheater die Nobelpreisträgerin verkörpert, nicht ganz up to date ist. „Ich komme ja immer oft vor in den Inszenierungen, und mein Erkennungszeichen sind die Zöpfe, die ich seit etwa 20 Jahren nicht mehr getragen habe“. „Das ist schon lustig. Die bleiben mir für den Rest meines Lebens. Die Haare vielleicht nicht.“
Gebaut hat die Jelinek-Puppe Nikolaus Habjan, der neue Star der Wiener Figurentheater-Szene. (Ö24, 14.01.2013)
Dabei lässt er die Autorin selbst zu Wort kommen – und sie, die sich live normalerweise mit Hohepriesterinnen-Attitüde geriert, ist hier ein Pappmachékopf (unverkennbar Elfriede mit ihrer Haarschmolle – nicht schön, aber markant), den Puppenspieler Nikolaus Habjan führt. Er hat dabei nicht allzu viel zu tun, er sitzt am Bühnenrand und spricht ein paar Zeilen, die nach Selbstzitaten der Autorin klingen, das macht er ganz gut. (Online-Merker, Renate Wagner, 17.01.2013)
Und dann ist da noch eine: Die Dichterin selbst. Der junge Kabarettist, Schau- und Puppenspieler Nikolaus Habjan leiht der Elfriede Jelinek als lebensgroße Puppen-Büste einen Arm und seine Stimme. Eurydike hat es (gleich am Anfang erfahren wir das) im echten Leben nämlich nicht nur mit Ehefrau-Sein, sondern auch mit Dichten versucht. Das ist aber nichts geworden neben dem übermächtigen Pop-Barden. Jetzt blättert die Jelinek-Puppe mit markanter Physiognomie und strenger schwarz gerandeter Brille in ihrem Manuskript als Mittlerin an der Bühnenrampe zwischen dem hektischen Schwarm der sieben Eurydiken, dem Schnulzen singenden Orpheus hinten auf seiner Showtreppe und dem Publikum. Sie ist ironische Begleiterin des Spektakels und Stichwortbringerin. Matthias Hartmann hat nämlich messerscharf erkannt: In diesem Text mit starker theatraler Option gibt die Dichterin nicht wenig von sich selbst preis.(Nachtkritik.de, Reinhard Kriechbaum, 17.01.2013)