TOSCA
Melodramma in drei Akten von Giacomo Puccini • Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica • nach dem Drama La Tosca (1887) von Victorien Sardou • In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Oper Dortmund, Premiere am 11. September 2021
Musikalische Leitung: Gabriel Feltz / Motonori Kobayashi Inszenierung: Nikolaus Habjan Bühne: Heike Vollmer Kostüme: Denise Heschl Licht: Florian Franzen Video: Kai Ehlers Choreinstudierung: Fabio Mancini Einstudierung Kinderchor: Stefan Quehl, Dietrich Bednarz Dramaturgie: Laura Knoll Studienleitung: Thomas Hannig Produktionsleitung: Fabian Schäfer Regieassistenz: Dominik Kastl Inspizienz: Ulas Nagler, Alexander Becker Bühnenbildassistenz: Emine Güner
BESETZUNG Floria Tosca: Inga Kalna / Stéphanie Müther / Gabriela Scherer Mario Cavaradossi: James Lee Baron Scarpia: Noel Bouley / Mandla Mndebele / Michael Volle Cesare Angelotti: Morgan Moody / Demian Matushevskyi* Spoletta: Fritz Steinbacher / Błażej Grek Der Mesner: Denis Velev / Yevhen Rakhmanin* / Timothy Edlin* Sciarrone / Ein Kerkermeister: Carl Kaiser Stimme des Hirten: Heejin Kim Opernchor Theater Dortmund Chorakademie Dortmund Kinderstatisterie Theater Dortmund Dortmunder Philharmoniker
KRITIKEN
Ruhrnachrichten vom 14.09.2021
Wie im Rausch
Dortmund. Was haben wir uns nach so einem Abend gesehnt: große Stimmen, riesiges Orchester, Chöre, Überwältigungsmusik. Die Oper Dortmund ist das erste Haus in der Region, das mit „Tosca“ zeigt, dass (fast) alles wieder geht.
Von Julia Gaß
Genau 20 Monate nach der letzten Musiktheater-Premiere mit Publikum hat die Oper Dortmund gezeigt, wie ein Neustart gelingt. Nach dem „Weißen Rössl“ im Januar 2020 kam nur noch „Die Stumme aus Portici“ als Geisterpremiere im März 2020 heraus. Und nun am Samstag „Tosca“ von Puccini – wie im Rausch, mit fantastischen Solisten, klug inszeniert, von den Dortmunder Philharmonikern großartig gespielt.
Die Saison mit einer Oper über Künstler zu eröffnen (Opernsängerin Tosca und Maler Cavaradossi), die in den vergangenen 18 Monaten besonders gelitten haben, ist auch ein gelungenes Zeichen für den Aufbruch.
Nikolaus Habjan, der im Sommer sein Regie-Debüt bei den Bayreuther Festspielen gegeben hat, stellt sich mit „Tosca“ als Dortmunder Hausregisseur vor. Der 33-jährige Österreicher, der seine Karriere als Puppenspieler begann, inszeniert ruhig vor monumentalen Bühnenbildern (Heike Vollmer).
Bilderbuch-Bohemien
Im ersten Akt beherrscht das Madonnen-Altarbild, das Cavaradossi in der Kirche malt, die Bühne; das Bild hängt im zweiten Akt auch in der Schaltzentrale der Macht, die aber nicht Büro des Polizeichefs Scarpia ist, sondern ein Zimmer mit gedeckter Tafel, an der Scarpia Tosca in die Falle lockt. Die Folterszene im Gefängnis zeigt Habjan parallel dazu geschickt auf der Unterbühne. Am Schluss stürzt sich Tosca dann auch nicht von der Engelsburg, sondern erschießt sich vor dem Madonnenbild neben dem toten Cavaradossi.
Mit den wenigen Corona-Auflagen geht Habjan kreativ um: Opernchor und Knabenchor der Chorakademie lässt er von der Seite singen und projiziert die Chöre in Videos auf einen Gaze-Vorhang. Sehr gelungen.
Im Zentrum der Dreiecksgeschichte steht für Habjan ganz klar Tosca. Inga Kalna zeigt sie als sehr starke, allen überlegene Frau. Scarpia ist ein Dämon, der selbst als Toter noch triumphiert und vorher diabolischer Freude am Quälen hat. Aber dieser Tosca nicht gewachsen.
James Lee zeigt den Cavaradossi auch als Bohemien, der es mit der Treue nicht genau nimmt, aber eine starke Frau wie Tosca braucht. Der Südkoreaner Lee ist in dieser Rolle ein Ereignis. Von einem Cavaradossi mit einem so substanzvollen Tenor, der mit viel Schmelz Sinnlichkeit vermittelt und so strahlende Höhen und eine Stimme mit Kraft und zugleich Geschmeidigkeit hat, träumen viele Häuser. Schon während der ersten Arie gab es dafür begeisterten Szenenapplaus. Und das dunkle Timbre von Lees Stimme passt wunderbar zum Sopran von Inga Kalna, der groß, aber nie schneidend ist und auch viel Substanz und eine wunderbar dunkle Tönung hat. Noel Bouly zeigt als Scarpia nicht nur Schurkentöne in seinem Bariton, sondern auch die eines sinnlichen Verführers.
Drama und Leidenschaft
Die musikalische Vielschichtigkeit und die schillernden Farben von Puccinis Musik zeigt Generalmusikdirektor Gabriel Feltz am Pult der 65 Dortmunder Philharmoniker im Graben ganz hervorragend, spannend und mitreißend dramatisch. Mit opulenten Drama- und Leidenschaftsklängen setzt er vor allem im ersten Akt den statischen Bildern viel Kraftvolles entgegen. Und die Szene im Morgengrauen vor Cavaradossis Erschießung im dritten Akt ist traumhaft schön und atmosphärisch dicht.
Acht Musiktheater-Premieren folgen in Dortmund in dieser Spielzeit. Nikolaus Habjan wird auch die nächste Saison eröffnen: mit Mozarts „Zauberflöte“.
Deutschlandfunk Audio Datei zur Bericht zur Premiere
„Die Philharmoniker unter Gabriel Feltz: in hochklassiger Form. (…) wie subtil der Klangkörper jene tückisch schimmernde Seide spinnt, in die Puccini das Monströse kleidet, das glückt atemberaubend. Dazu eine Titelheldin, die neben dem heißen Furor der Verzweiflung enorm schöne Lyrismen offenbart. In ihren besten Momenten ließ die Lettin Inga Kalna ans melancholische Timbre der großen Tebaldi denken. Berauschend gut! (…) Immer wieder findet Habjan enorm packende, überaus einfühlsame Lösungen. Wie er die zur Mörderin gewordene Tosca am Leichnam Scarpias mit sich ringen lässt, ist von bohrender Intensität. Die besten Szenen dieser Regie kennzeichnet extreme szenische Musikalität. Coronagemäß clever gerät auch die Lösung von Massenszenen: auf eine Gaze projiziert Habjan Chöre, optisch sind sie also auf der Bühne, akustisch ‚off stage‘. (…) Zu dieser ‚Tosca‘, das steht fest, können auch die Busse aus Oelde wieder anrollen. So geht Oper zum Liebhaben.“
13. September 2021
Trailer zu TOSCA