Oberon, König der Elfen
Romantische Feenoper in drei Aufzügen von Carl Maria von Weber
Libretto: James Robinson Planché, ins Deutsche übersetzt von Theodor Hell
Bayerische Staatsoper München, Prinzregententheater, Premiere 21.07.2017
Musikalische Leitung: Ivor Bolton
Inszenierung: Nikolaus Habjan
Bühne: Jakob Brossmann
Kostüme: Denise Heschl
Licht: Michael Bauer
Chor: Sören Eckhoff
Dramaturgie: Rainer Karlitschek
Oberon:Julian Prégardien
Titania (Puck): Alyona Abramowa
Rezia: Annette Dasch
Hüon von Bordeaux: Brenden Gunnell
Fatime: Rachael Wilson
Scherasmin: Johannes Kammler
Meermädchen: Anna El-Khashem
Die drei Pucks: Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock
Bayerisches Staatsorchester
Extrachor der Bayerischen Staatsoper
Koproduktion mit der Bayerischen Staatsoper München, Theater an der Wien, Premiere 13. 05. 2019
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Nikolaus Habjan
Bühne: Jakob Brossmann
Kostüme: Denise Heschl
Licht: Michael Bauer
Oberon: Mauro Peter
Titania: Juliette Mars
Die drei Pucks: Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock
Rezia: Annette Dasch
Fatime: Natalia Kawalek
Hüon von Bordeaux: Vincent Wolfsteiner
Scherasmin: Daniel Schmutzhard
Meermädchen: Jenna Siladie
Orchester: Wiener KammerOrchester
Chor: Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner)
Festspielpreis der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele 2017 an Nikolaus Habjan für die Regie von Carl Maria von Webers Oberon, König der Elfen
Vorberichte und Interviews
An der Bayerischen Staatsoper inszenieren Sie zu den Festspielen Carl Maria von Webers Romantische Feenoper Oberon, König der Elfen. Was erwartet uns da?
Die Musik ist großartig, der Text sperrig. Es widerspricht meiner Auffassung von Werktreue jedoch, das Libretto zu „modernisieren“. Es bleibt der Originaltext. Ohne Grund hielt sich diese Oper nicht bis heute.Unter Werktreue verstehe ich, das Gefühl des Publikums der Uraufführung ins heute zu transponieren, nicht aber am Stück „herumzudoktern“. Gefühl ist mir in meinen Inszenierungen ganz besonders wichtig, im Positiven und im Negativen. Mein „Job“ ist es, die Intention des Stückes zu erfassen und für das heutige Publikum verständlich zu machen.
Was bedeutet das konkret für den „Oberon“?
Das Thema ist der Streit von Oberon und Titania, ob es wahre Liebe und Treue über den Tod hinausgibt. Das sind nichts anderes als Menschenversuche. Darauf werde ich sicher Bezug nehmen. Denken Sie an die Versuche des Verhaltensforscher Harry Harlow mit Rhesusäffchen in den fünfziger Jahren. Er ließ die Affenbabys zwischen zwei Mutter-Surrogaten wählen: Ein Mutterersatz war mit einer Milchflasche, aber das Ganze in Draht verpackt, das andere Surrogat war warm, mit einem weichen Stofftier aber ohne Nahrung. Die meisten haben sich für die warme Mutter entschieden und verhungerten. Die wenig, die die Drahtvariante wählten, überlebten und wurden zu Soziopathen.
Die Oper besteht aber aus vielen Klischees, die ich hinterfragen möchte: Warum singen nur die Christen, die Heiden erst nach ihrer Bekehrung? Oder Oberon, der sich vom hässlichen Zwerg Alberich in der germanischen Mythologie hier in den schönen Elfenkönig verwandelt hat.
Vieles davon wird über Puppen transponiert werden, da es anders nicht realisierbar ist.
Wie viel Sommernachtstraum steckt da drin?
Ziemlich viel. Schon die Geschichte von Oberon und Titania.
Die Sänger müssen hier auch richtig gut schauspielern. Was bedeutet das für den Regisseur?
Ein sehr sorgsamer Umgang mit den Sängerinnen und Sängern, ihnen verdeutlichen, was ihre Rolle ausmacht, wie man sie dem Publikum nahe bringt. Da ich selbst sehr oft auf der Bühne stehe, weiß ich sehr genau, was man verlangen kann und was nicht. Ich kenne den Beruf des Regisseurs von beiden Seiten. Das erleichtert vieles. Ich zeige auch immer vor, was ich mir vorstelle.(Engelsloge No. 34 | 05/2017)
Cordula Diekmann im Gespräch mit Nikolaus Habjan
Warum wollten Sie den „Oberon“ mit Puppen inszenieren?
Die Oper schreit ein bisschen danach. Es geht um verschiedene Realitäten. Es geht um Menschenversuche. Darum, dass Menschen in verschiedene Welten gebracht werden. Puppen sind ein gutes Medium, um Realitäten herzustellen oder zu stilisieren. Es ist diese 1001-Nacht-Märchenromantik. Webers Oper ist ja ein wunderschönes Zaubermärchen – und Oper ohnehin das perfekte Medium für Puppen.
Wieso?
Puppenspiel ist Rhythmus. Die Musik ist dafür das beste Korsett. Und Puppen können vieles, was auf den ersten Blick unrealistisch wirkt, in eine Wahrhaftigkeit rücken. Oper ist das Unrealistischste überhaupt.es geschehen unrealistische Dinge, es gibt abstruse Liebesgeschichten. Bis ein Satz gesungen ist, wäre der in der Realität zwölf mal gesprochen. Puppen haben genauso ein langsameres, genaueres Timing, einen magischen Fokus. (TZ, 22./23.07.2017)
Kritiken
Wer sich auf Nikolaus Habjans Deutung von Webers Zauberoper einlässt, wird dank seiner Puppen gut unterhalten.
Puppenspieler und Regisseur Nikolaus Habjan gelingt es famos, die Klippen des Werks zu umschiffen und nimmt dennoch die gesprochenen Texte der „Romantischen Feenoper in drei Aufzügen“ von 1826 sehr ernst.
Die Bühne von Jakob Brossmann stellt einerseits ein zweistöckiges Labor mit allerlei Resopal-Holztüren im ersten Stock dar, gibt aber hinter den Wänden über Eck immer wieder als charmante, faltbare Pappkulissen eine orientalische Stadt mit dominierender Moschee und anderen Gebäuden wieder, wird zum Ozean mit täuschend echt schwimmenden bzw. schwebenden Fischen oder gibt riesige Wellen wie auf japanischen Holzstichen zwischen den Labor-Türen im Parterre frei. Anderes – wie das Schiff, auf dem Rezia und Hüon gen Griechenland reisen sollen – wird symbolisch dargestellt, ist eigentlich die Kommandozentrale von Ärzten und Personal. Elfen gibt es hier natürlich keine mehr, nur geklonte Menschen mit schwarzen Kurzhaar-Perücken in scheußlich wattierten weißen Kitteln wie aus einem Scifi-Horror-Film (Kostüme: Denise Heschl).
Ein bisschen Mozartsche „Entführung“ spielt in das Geschehen hinein, Shakespeares „Mittsommernachtstraum“, gewürzt mit einer Prise Prüfungs-Zinnober aus der „Zauberflöte“… Wenig Elfen-Duft lässt er zu, aber betont umso mehr die frühromantische Leuchtkraft der vielschichtigen Oper, die kaum schwache Takte enthält und leider dank der schwer zu realisierenden Handlung und eines vermeintlich schwachen Librettos leider selten gespielt wird. Die Münchner Aufführung – eine Koproduktion mit dem Theater an der Wien – stellt eine Ehrenrettung dar, augenzwinkernd und mit viel liebe- und respektvoller Ironie. (Die deutsche Bühne, Klaus Kalchschmid, 21.07.2017)
Rezia hat ihren mutmaßlichen Retter Hüon schlafend herbeigeträumt und der steht auch bald vor ihr und knutscht sie nieder. Wie Annette Dasch und Brenden Gunnell nicht nur diese Szene mit herrlichem Mut zur Selbstparodie übertrieben artikulierend und gestikulierend spielen und singen, macht großen Spaß und passt perfekt zur Aktion der lebensgroßen Puppen mit sehr plastischen Gesichtern, die von den drei Pucks – zugleich Mitarbeiter der Klinik (grandios: Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock) gesprochen und gespielt werden. Allerlei
Figuren stellen sie dar: Ein altes streitendes Ehepaar, drei Seeräuber – die später Hüon und Rezia entführen werden, und ganz am Ende Doppelgänger dieses hohen Paars, die den jeweils „echten“, lebendigen Menschen in die Verzweiflung und den Wahnsinn treiben. Puppenspieler und Regisseur Nikolaus Habjan gelingt es famos, ironisierend, mit viel Spielwitz und in oft scheinbar improvisierten Szenen, alle unfreiwillig komischen Klippen des Werks zu umschiffen, bzw. sie auszustellen. (KlassikInfo.de, Klaus Kalchschmid,21.07.2017)(https://www.klassikinfo.de/oberon-von-weber-muenchen/)
Der österreichische Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan und sein Ausstatter Jakob Brossmann zeigten Carl Maria von Webers selten gespielte Oper „Oberon“ somit als kühles Menschenexperiment, als klamaukige Wissenschafts-Satire. Tatsächlich geht es bei Weber ja um die Frage, ob es Liebe im Allgemeinen und Treue im Besonderen überhaupt gibt, oder ob das alles Einbildung ist. Im Feenreich wird darüber heftig gestritten zwischen Elfenkönig Oberon und seiner ziemlich herben Gattin Titania – eine sehr beliebte Geschichte, die Shakespeare zum Beispiel in seinen „Sommernachtstraum“ einbaute. Dort geht alles gut aus, was für den Münchener „Oberon“ nicht unbedingt gilt: Am Ende landen die schwer geprüften Versuchspersonen auf dem elektrischen Stuhl, werden kräftig durchgeschüttelt und bleiben zitternde Nerven-Wracks.
…und auch der dreieinhalbstündige Abend war ein so kluges wie witziges Seminar über die Liebe.
Die Klappmaul-Puppen und ihre herrlich vitalen Spieler waren freilich großartig. Und die Idee, diese völlig aus der Zeit gefallene Carl Maria von Weber-Oper teilweise als Drogenrausch zu zeigen, war ebenfalls plausibel. (Bayern Klassik, Peter Jungblut, 22.07.2017)
Oberon fliegt über das Kuckucksnest.
Nikolaus Habjans Inszenierung macht daraus ein Kindertheater für Erwachsene. Er erzählt das Spektakel als Menschenversuch. Der Verhaltensforscher Oberon (Julian Prégardien) beweist seiner zweifelnden Gattin Titania, dass es die große Liebe doch gibt. Sie schnappen sich zwei Herren aus dem Zuschauerraum, denen die Handlung mit Hilfe von Psychopharmaka vorgegaukelt wird. Das ist bei der abstrusen Geschichte sehr hilfreich.
Wenn die Dramaturgie lahmt, wird einfach eine frische Spritze gesetzt. Oder ein Elektroschock. Und schon fliegt Oberon über das Kuckucksnest.
Elfen und Orientalen sind Puppen mit ausdrucksstarken Köpfen und flatternden Stoffkörpern. Sie werden von den drei Pucks geführt (Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock). Diese Poltergeister kichern und scharren den Text, dass es eine wahre Freude ist. Sie übertreiben aufs Wunderbarste, ohne jemals in den puren Klamauk abzugleiten.
… Böses Happy End
Im zweiten Akt raschelt das dramatische Papier ziemlich. Wenn kurz vor Schluss im Tunis-Akt die Protagonisten ihren Puppen-Doubles begegnen, wird es todernst. Dann endet das Experiment in einer Katastrophe, übertönt vom Jubelchor aus dem Off. Auch das hat man schon gesehen, aber hier ist es eine ergreifende Steigerung.
Die Handlung spielt in der Pilzkopfzeit vor etwa 50 Jahren, der großen Epoche der Verhaltensforschung. Und wenn man in der Sturmszene denkt, dass ein paar wehende Vorhänge doch ein wenig enttäuschend sind, fährt die große Welle vor Kanagawa von Hukosai auf die von Jakob Brossmann und Denise Heschl ausgestattete Bühne.(Münchner Abendzeitung, Robert Braunmüller, 23.07.2017)
Wenn Oberon den Menschen erscheint, wird er vom gegängelten Ehemann zum mächtigen König – in Gestalt einer vier Meter großen Stabpuppe. Eine wunderbare Idee, wie überhaupt die Puppenszenen zu den besten der ganzen Oper zählen. Die Stadt Bagdad ist von diesen skurrilen Puppen-Wesen bevölkert – Palastwachen, eine schwatzhafte Alte oder Harun al Raschid, Kalif von Bagdad.
(Frankfurter Rundschau, 23.07.2017)
Die Münchner Opernfestspiele machten es (im schmucken Prinzregententheater) nun ganz anders. Das Stück, immerhin ein weimarisch-klassisches Wieland-Sujet mit einigen Shakespeare-Spritzern, wurde ernst genommen und liebevoll über dreieinhalb Stunden mit vielen Dialogen ausgebreitet. Das Prädikat einer liebevollen Personenregie und belebter feindrastischer Komik war dabei noch wesentlicher als die Tatsache, dass der Puppenmeister Nikolaus Habjan Regie führte und die Objekte seiner Profession, lebensgroß und noch größer, in Jakob Brossmanns praktikabel die Szenenwechsel markierenden Bühnenbildern zu zünftiger Wirkung brachte.(Frankfurter Rundschau, Hans-Klaus Jungheinrich, 24.07.2017)
Nikolaus Habjan interpretiert den «Oberon» als mitunter etwas überdrehtes Musiktheater zwischen nüchterner Laboratmosphäre und den zauberhaften Verheißungen aus 1001 Nacht. Ein märchenhafter, bunter Reigen….
Stars des Abends sind eindeutig Habjans Handpuppen. Die drei Darsteller, die die Puppen mit ihren ausdrucksstarken Köpfen und den flatternden Stoffkörpern führen, sind großartig. Sie kichern, stöhnen, poltern und schnarren, dass es eine wahre Freude ist. Sie übertreiben hemmungslos und aufs Schönste, ohne ein einziges Mal albern zu wirken. Ihr Auftritt hat etwas Traumhaftes, Unwirkliches. (Welt, Manuel Brug, 23.07.2017)
…Und das Libretto, das James Planché auf die Vorlage von Christoph Martin Wieland gedichtet hatte, fand der schon Todkranke allenfalls suboptimal. Man kann „Oberon, König der Elfen“ gewiss in eine heutige mitteleuropäische, angeblich funktionierende Dramaturgie pressen. Man kann sich ihm mit all seinen Wucherungen aber auch stellen, so wie Österreichs aktueller Theaterliebling Nikolaus Habjan bei der zweiten Premiere der Münchner Opernfestspiele.
Der 29-jährige Operndebütant ist für seine Klappmaulpuppen berühmt, die oft stärker sind als der live-haftige Mensch. Auch hier tauchen sie auf. Als riesenhafter Weißgeist und Oberon-Doppelgänger zum Beispiel, dessen Kopf vom Feenkönig-Professor geführt wird. Oder als klassisches Buffo-Paar, Typ biestige Alte und Mummelgreis, das einem Nestroy entschlurft sein könnte. Habjan erfindet eine Art Rahmenhandlung. Chefs dieser Versuchsanstalt sind Oberon und Titania, die Kittelträger, gesungen vom Extra-Chor der Staatsoper in sehr hörenswerter Oratorienform, bitten anfangs vier Probanden, die eigentlich ins Parkett wollten, auf die Bühne. Ihr Pech…Was nun folgt, ist eine Groteske, die viele (der nicht gerade donnernde, gleichwohl Buh-lose Beifall zeigt’s) irritierte. Mag sein, dass im Falle dieser Bizarrerien Londoner und Österreicher eben wesensverwandt sind; die haben auch mit schwarzhumorigen Kampfszenen, in denen Puppen der Kopf abgerissen wird, keine Probleme. Den gespreizten Sprechtextton treibt Habjan in die Überzeichnung am Rande der Parodie – was doppelt gut ist, sind doch Opernsänger zu 90 Prozent für Schauspielstrecken nicht geboren. Doch hier stimmt meist das Timing. Klamauk und Slapstick sind nicht verboten. Und am schönsten ist, wie die Eigenheiten der Solisten ganz ohne Denunzieren genutzt werden. (Merkur.de, Markus Thiel,25.07.2017)
https://www.merkur.de/kultur/kritik-zur-auffuehrung-von-carl-maria-von-webers-oberon-8512218.html
Eine kaum spielbare Oper trotz der Längen sympathisch hinzukriegen, das hat etwas. Montagabend fand die zweite Aufführung im Rahmen der dortigen Festspiele im dem Bayreuther Festspielhaus nachempfundenen Prinzregententheater statt. Ein den Kommentaren nach durchaus kenntnisreiches Publikum amüsierte sich über drei Stunden lang. Wagner-Opern sind bekanntermaßen auch keine Quickies und wer von Göttern, Drachentötern und Walküren nicht genug kriegen kann, der befasst sich auch einmal mit Rittern, Prinzessinnen, Meermädchen, einem Feenkönigspaar und jenen Pucks, die Librettist James Robinson Planché direkt von Shakespeare entlehnen durfte, als Carl Maria von Weber kurz vor seinem Tod 1826 noch ein Auftragswerk ans Köngliche Opernhaus Covent Garden zu liefern hatte.
Mit den damaligen Auflagen war der Urheber nicht glücklich, doch schon knapp drei Jahre später landete das Werk in München. Aufgrund der Länge und der abstrusen Story ist „Oberon, König der Elfen“ kein Dauergast auf Spielplänen. Straffungen zu fordern, ist berechtigt, aber mittlerweile obsolet. Auch Habjan beugt sich keiner Theaterökonomie und nimmt in Kauf, dass es ganz schön dauert bis Hüon von Bordeaux mit seiner Rezia glücklich werden kann bzw. bis sich Fatime und Scherasmin in den Armen liegen…. Doch siehe da, diese Art von Mozartton, der der Weberschen Partitur nun einmal innewohnt, wirkt passend, hat sich Habjan doch auf humorvolle, klobige, zuweilen sogar koboldartige Bewegungen eingeschworen, die die Story nicht nur märchenhaft schaurig, sondern auch sympathisch aufladen. (Vorarlberger Nachrichten, Christa Dietrich, 24.07.2017)
Stars des Abends sind eindeutig Habjans Handpuppen. Die drei Darsteller, die die Puppen mit ihren ausdrucksstarken Köpfen und den flatternden Stoffkörpern führen, sind großartig. Sie kichern, stöhnen, poltern und schnarren, dass es eine wahre Freude ist. Sie übertreiben hemmungslos und aufs Schönste, ohne ein einziges Mal albern zu wirken. Ihr Auftritt hat etwas Traumhaftes, Unwirkliches.
Im Kontrast dazu das Labor, wo Oberon und die Elfen in weißen Kitteln die Gefühle von Rezia und Hüon erforschen, wenn auch etwas klischeehaft mit Rorschachtest, Stethoskop und Elektroden an den Köpfen. Habjan orientierte sich an den Versuchen des US-Psychologen Harry Harlow in den 1950er Jahren, der bei Primatenaffen die emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind untersuchen wollte. Auch Oberon und Titania treiben fasziniert ihre psychologischen Spielchen mit Hüon, Rezia, Fatime und Scherasmin. Ein gefährliches Unterfangen. In Liebesdingen, so die Erkenntnis am Ende, verlassen sich die Menschen dann doch besser auf sich selbst. (dpa) (Weser Kurier, 23.07.2017)
Was für ein herrlicher Popanz! Ein meterlanges weißes Gewand und dann dieser Kopf voller Glühbirnen, eine Mischung aus Dracula- und Totenschädel, aus Kuschelmonster und Geisterbahngespenst. Natürlich ist das alles Maskerade, aber besser kann man sich in Fakezeiten Oberon nicht vorstellen… Das ist Kaspertheater höchster Güte, in der Übertreibung so grell wie dezent und dem Märchenstoff vollauf angemessen. Ja, so ließe sich der „Oberon“ retten. (Süddeutsche Zeitung, Reinhard J.Brembeck, 24.07.2017)
Während sich das Publikum im Prinzregententheater über die Inszenierung von Nikolaus Habjan hörbar vergnügt und einhellig Beifall spendet, ganz ohne Buhrufe, rümpfen manche Kritiker die Nase.
Zu spielerisch und gauklerisch ist ihnen die Regie, auch zu «albern» oder zu «altbacken», womit nicht selten dasselbe gemeint ist. Nun stammt der 29-Jährige aus Österreich, überdies aus Graz, was eine gewisse «italophile Durchlässigkeit» erklärt. Und das ist gut so, denn: Seine liebevoll parodierende, überaus sinnliche und phantasievolle musikalische Regie hilft einem Werk auf die Sprünge, das einige Tücken und Schwächen hat. Im Gegensatz zu Webers Vorgängeroper «Euryanthe» ist «Oberon» kein durchkomponiertes Musikdrama, sondern rein formal eine vorromantische Nummernoper…Eine dramaturgisch verbaute, überladende Mixtur ist herausgekommen, die auf dem «Oberon»-Epos von Christoph Martin Wieland fusst: gewürzt mit Motiven aus Shakespeares «Sommernachtstraum» und «Der Sturm». Mit dem Genre-Mix geht Habjan ausgesprochen virtuos um. Für seine Inszenierung hat die Ausstatterin Denise Heschl ein Puppen- und Maskentheater entworfen, das entfernt an Achim Freyer oder Claus Guth erinnert – allerdings humorvoller und agiler.
Als riesenhafte Puppe mit weissem Gewand und grossen, leuchtenden Händen präsentiert sich Oberon. Mit kleineren Handpuppen agieren die drei Pucks: hinreissend gesprochen und gespielt von Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock. Dieses Puppen- und Maskentheater greift indes nicht nur den Genre-Mix im «Oberon» auf, sondern schlägt zugleich eine kluge Brücke zur Handlung. Alles dreht sich um den Elfenkönig Oberon, der seiner Frau Titania beweisen möchte, dass es Treue zwischen Mann und Frau geben kann. (Neue Zürcher Zeitung, Marco Frei, München 24.7.2017)
Der 29-jährige Operndebütant ist für seine Klappmaulpuppen berühmt, die oft stärker sind als der live-haftige Mensch. Auch hier tauchen sie auf. Als riesenhafter Weißgeist und Oberon-Doppelgänger zum Beispiel, dessen Kopf vom Feenkönig-Professor geführt wird. Oder als klassisches Buffo-Paar, Typ biestige Alte und Mümmelgreis, das einem Nestroy entschlurft sein könnte. Habjan erfindet eine Art Rahmenhandlung. Chefs dieser Versuchsanstalt sind Oberon und Titania, die Kittelträger, gesungen vom Extra-Chor der Staatsoper in sehr hörenswerter Oratorienform, bitten anfangs vier Probanden, die eigentlich ins Parkett wollten, auf die Bühne. Ihr Pech. (Kultur html, Markus Thiel, 25.07.2017)
Was anfangs als extrem schrille Parodie wirkt, gewinnt durch das kontrastreiche, teilweise sehr atmosphärische Bühnenbild (Jakob Brossmann), den Charme von Habjans Klappmaulpuppen, dessen exaltierte und sehr detaillierte Personenregie in dramatischer Hau-Ruck-Optik, die gleichzeitig Commedia dell’Arte und Muppet-Show assoziieren lassen, großen Unterhaltungswert. Manche Besucher finden das entsetzlich, andere sind inspiriert von der magischen Faszination.
Funkelndes Spektakel
Überaus gekonnt synthetisiert Habjan Feen-Oper, orientalisches Märchen, Robinsonade, Schwank, Schatten- und Puppentheater zu einem schillernd funkelnden Theaterspektakel. Jede Arie, jede Orchesterpassage mit Sehnsucht erwartet, wirkt als akustischer Höhepunkt. Der besondere Clou: Habjan entwickelt Shakespeares Zaubertüte literarischer Verflechtungen aus der kühlen Atmosphäre medizinischer Experimente. Selbst Oberon, ein über vier Meter großer Puppengeist mit Leuchtaugen, von Julian Prégardien mit Bravour gesungen und an einer der funkelnden Händen geführt, wird von Chefärztin Titania dominiert(Kultur BYBayern,25.07.2017)
Nikolaus Habjan haucht in München „Oberon“,Webers letzter Oper, bezaubernd schreckliches Bühnenleben ein- die späte Rehabilitierung eines Meisterwerks..
Wie Habjan das orientalische Kreuzritterspiel der Probanden in dieses aseptische Setting einbaut, darf man ruhig fantastisch nennen. Der 29-jährige und sein Bühnenbildner Jakob Brossmann vertrauen den Mitteln des Theaters. Bagdad, Oberons Halluzinationsszenario für den Liebestest rollt als Pappkulisse auf Rädern herein; Wellen im Stile Hokusais fahren aus den Wänden des Labors und drohen die vor der Wut des Kalifen Fliehenden zu verschlingen; ein Tuch genügt, und Oberons Schaltzentrale mutiert zum Schiff oder zum Diwan; den Sturm simuliert man mit einem Wasserglas und projiziert ihn an die Wand. Lebensgroße Klappmaulpuppen, Habjans Spezialität, leihen den Gegenspielern der Menschen dämonische Präsenz. Bezaubernder Bühnenzauber, wer wird da noch pedantisch Illusion von Wirklichkeit scheiden wollen? (Kleine Zeitung, Thomas Götz, 26.07.2017)
Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan (*1987 in Graz) entschied sich dafür, die verschiedenen dramaturgischen Ebenen in eine heutige, ironisiert-moderne Umgebung zu stellen, die Unterschiede deutlich zu betonen und doch miteinander zu verbinden: So spielt die Feenwelt in einem Labor für Hirnforschung. Der Chef-Forscher Oberon (Julian Prégardien) streitet sich mit seiner Kollegin und Ehefrau Titania (Alyona Abramowa), ob Mann oder Frau beständiger in Liebe und Treue seien. Sie beschließen, die Frage durch Versuche an vier zufällig ausgewählten Probanden wissenschaftlich zu klären. Durch Drogen wird das eine Paar in die Vorstellung versetzt, die heldisch-ernste Geschichte des Ritters Hüon von Bordeaux (Brenden Gunnell) und der schönen Kalifentochter Rezia (Annette Dasch) zu spielen, das andere Paar (Rachael Wilson, Johannes Kammler) verwandelt sich als deren Begleiter in das klassische Singspiel-Paar „Zofe“ und „Knappe“. Die Welt ihrer halluzinatorischen Abenteuer (Bühne: Jakob Brossmann, Kostüme: Denise Heschl) wird von drei wundervollen Puppenspielern und ihren grotesken Klappmaulpuppen dargestellt und gesprochen. Es gibt da neben zwei herrlich ängstlichen Palastwachen den Kalifen und den Prinzen Babekan, die Ritter Hüon auftragsgemäß töten muss, um die schöne KalifentocherRezia mit ihrer Zustimmung zu entführen. Drahtzieher des Geschehens ist der Hirnforscher in Gestalt des Feenkönigs Oberon, der als überdimensionale weiße Gespensterpuppe mit Glühbirnen-Augen zu sehen ist. Da der Meinungsstreit zwischen Oberon und Titania über die Treue nach dem Orient-Abenteuer immer noch nicht geklärt ist, schafft Oberon noch eine weitere Prüfung der Paare mit Schiffbruch, Gefangenschaft beim Emir von Tunis und Todesdrohung an. Das Ergebnis wird hier nicht verraten – auch, weil es für den Zuschauer nicht ohne weiteres erkenntlich ist!
…Positiv zu vermerken ist die feine und geschmackvolle Ironisierung der Heldengeschichte um Hüon und Rezia, die von Brenden Gunnell und Annette Dasch – neben ihrer Leistung in ihren gesanglich höchst anspruchsvollen Partien – mit Delikatesse dargeboten wurden. Dafür gab es Schmunzeln und Gelächter ebenso wie für die wunderbaren Puppen und ihre Spieler („die drei Pucks“) Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock. Direkt ins Herz gingen Gesang und Spiel des „volkstümlichen“ Pärchens Rachael Wilson und Johannes Kammler als Zofe Fatime und Knappe Scherasmin. Julian Prégardien, der als Oberon leider keine große Gesangsszene hat, beeindruckte aber neben seiner kultivierten Stimme umso mehr als Darsteller des fahrigen Labor-Professors und durch seine verständliche und fesselnde Deklamation der hehren Oberon-Monologe. Spielfreudig und klangschön agierte der Extrachor der Bayerischen Staatsoper. Ein Positivum der Inszenierung war, dass sie bei den großen Gesangsnummern und sinfonischen Passagen den Trubel und Aktionismus auf der Bühne sehr zurücknahm und so dem Bayerischen Staatsorchester unter Ivor Bolton die Gelegenheit gab, die wundervolle romantische Musik von Carl Maria von Weber zu zelebrieren. (Online Merker, Helga Schmöger, 27.07.2017)
(https://onlinemerker.com/muenchen-opernfestspieleprinzregententheater-oberon-koenig-der-elfen/)
Es ist die erste Inszenierung, die der 29-jährige Österreicher für die Bayerische Staatsoper entworfen hat. Mit ihr hilft Habjan einem Werk auf die Sprünge, das einige Tücken und Schwächen hat. Im Gegensatz zu Webers Vorgängeroper Euryanthe ist Oberon rein formal eine vorromantische Nummernoper.
Weber musste auf ein Umfeld reagieren, das in der Oper international den Anschluss verloren hatte: nach Henry Purcell und Georg Friedrich Händel. Mit dem Genre-Mix geht Habjan ausgesprochen virtuos um. Gemeinsam mit Ausstatterin Denise Heschl hat er ein Puppen- und Maskentheater entworfen, das entfernt an Achim Freyer erinnert (Freyer, 83, ist zugleich Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Maler und verbindet gerne die bildende mit der darstellenden Kunst). Oder an die Augsburger Puppenkiste. Oberon erscheint als riesige Puppe in weißem Gewand, er hat leuchtende Hände. Mit kleineren Handpuppen agieren die drei Pucks (wunderbar gesprochen und gespielt: Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock). Dieses Puppen- und Maskentheater greift die Handlung auf…Die Inszenierung Habjans rettete eine entzauberte Musik mit viel Poesie: Respekt! (Bayerische Staatszeitung, Marco Frei, 28.07.2017)
Dass man Nikolas Habjan, einem Puppenspieler, der zwar Musiktheaterregie studiert, sich aber als Opernregisseur noch keinen Namen gemacht hat, die Regie anvertraute, mochte zunächst riskant erscheinen. Der brachte seine Profession nicht nur in Form einiger körpergroßer Klappmaulpuppen ein (wie Ernie und Bert aus der „Sesamstraße“,
nur viel kunstvoller und „erwachsener“ realisiert), sondern komponierte in erster Linie eine kurzweilige Opernrevue…
Kaum haben sie alle möglichen und unmöglichen Untersuchungen überstanden und das Bewusstsein benebelnde Medikamente bekommen, werden sie gemeinsam mit den Fatime und Rezia genannten Frauen auf eine Reise durch die Kontinente und durch die Prüfungen geschickt. Hier kommen nun die Puppen ins Spiel, die Webers Sprechrollen übernehmen (Puck, Kalif von Bagdad, persischer Prinz, Emir von Tunis). Dieser Clou sicherte das Gelingen der Produktion, zumal die sprechenden Puppenspieler (Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock) ihre Aufgabe so überzeugend und brillant bewältigten, dass sie sich im Jubel des Premierenpublikums sonnen konnten. (Das Opernglas, M. Wilks, 9/2017)
Rezia und Hüon sind sich sogleich unsterblich verfallen, Fatime und Scherasmin bilden dagegen nur eine schnell auflösbare romantisch-erotische Zweckgemeinschaft. Die emsigen Laborgehilfen (Manuela Linshalm, Daniel-Frantisek Kamen und Sebastian Mock – Habjan machte aus einem „Puck“ gleich drei) treiben das böse Spiel nicht nur mit Injektionen und Projektionen, sondern auch mit meisterlich geführten Puppen weiter – viel zu weit.
Das ist vor allem ziemlich witzig, nämlich auf die böse Art. Aber Habjan, der seine Produktion ursprünglich 2017 bei den Münchner Opernfestspielen der Bayerischen Staatsoper herausgebracht hat, will mehr als nur witzig sein. Das böse Spiel darf bei ihm nicht gut enden, hinter dem abstrusen Geschehen soll ein tragisches Moment aufleuchten … (Tiroler Tageszeitung, APA, 14.05.2019)
Oberon, der angespannte Wissenschafter, steigt ein als Riesenpuppe. Auch gönnt er sich (glänzend Mauro Peter) nach dem Streit mit der Gattin (markant Juliette Mars) einen Glücksschuss und träumt sich die Unterwasserszene herbei. Süß. Das Ganze hat verspielt-kindlichen Charakter; trotz der Thematik Menschenmanipulation dominiert eher das Ulkige. Die Klappmaulgeschöpfe entfalten dabei zielsicher ihren Charme, sind der verlässliche Running Gag einer Inszenierung, die sich allerdings nicht vollends auf die hölzernen Diven verlässt,…Da wurde mit den Sängern präzise gearbeitet, die Figuren haben Kontur. Und wenn das Experiment am Ende aus dem Ruder läuft, haben die Puppen ausgedient. (Standard, Ljubisa Tosic, 14.5.2019)
Aber Nikolaus Habjan hat für seine Inszenierung sich so viel einfallen lassen, dass der im Orient und auf dem Meer entfesselte Feentheaterzauber gefällt und amüsiert. (Kronenzeitung, Karlheinz Roschitz,15.05.2019)
Wer sich auf Nikolaus Habjans Deutung von Webers Zauberoper einlässt, wird dank seiner Puppen gut unterhalten. Musikalisch ist das Vergnügen begrenzt (Die Presse, Walter Weidringer, 15.05.2019)
Dass dieses an sich etwas konstruierte Setting als Regieansatz absolut aufgeht, liegt an der feinen Musikalität und dem pointierten Humor, mit dem Regisseur Nikolaus Habjan sein Konzept umsetzt – und an den von Habjan gebauten und wunderbar geführten Puppen…Die mit einzelnen Requisiten nur punktuell angedeutete Feen- und Zauberwelt, die Habjan und sein Team hier entstehen lassen, setzt auf kluge Komik statt auf kitschigen Klamauk. Wie aus dem sterilen Laborsetting hier mit einfachen Mitteln eine Abenteuerwelt entsteht, entspricht der fantasievollen Logik eines Kindes.(Wiener Zeitung, Judith Belfkih, 15.05.2019)
Irgendwie fürchtete man vor der Aufführung, dass Regisseur Nikolaus Habjan die Zuseher zu sehr mit seinen Puppenspielen quälen würde. Umso positiver war man dann allerdings überrascht, daß hier eine packende und interessante Regie zu sehen war…Habjan siedelte das Elfenreich in einem medizinischen Versuchslabor an, wo Oberon als Versuchsleiter und seine zänkische Gattin Titania als Versuchsleiterin zu erleben waren, die so nebenbei ihren Mann wie einen Waschlappen behandelte. Puck wurde von drei Personen (hier medizinische Assistenten) gespielt, die mittels Puppen gewisse Szenen gekonnt sichtbar machten. Der Regisseur zauberte aus der doch zeitlosen Geschichte ein optisches Erlebnis, von dem vor allem die Elfenszene im zweiten Teil, die am Meeresgrund spielt, in Erinnerung bleiben wird. Mit geradezu berauschenden Bildern konnte man Oberons Visionen nach seinem (Drogen-)Schuß mitfühlen.(KlassikBlog, Herbert Hiess, 28. Mai 2019)