Fly Ganymed
von Paulus Hochgatterer
Kammertheater / Staatstheater Stuttgart, Premiere 15. 01. 2022
Regie:Nikolaus Habjan
Bühne:Denise Heschl
Kostüme:Denise Heschl
Musik: Kyrre Kvam
Licht: Stefan Maria Schmidt
Dramaturgie:Gwendolyne Melchinger
mit
ELMAR ROLOFF (Großvater)
ANNIEK VETTER ( Mädchen)
GÁBOR BIEDERMANN (Schlepper)
JANNIK MÜHLENWEG (Grenzpolizist)
THERESE DÖRR (Grenzpolizistin)
Kritiken
Deutschlandfunk Kultur, Cornelie Ueding, 17.01.2022
Paulus Hochgatterer und sein kongenialer Partner … Nikolaus Habjan treten mit der programmatischen Absicht an, sich dieses heiklen Themas anzunehmen – weder mit Mitteln drastischer Vergröberungen, noch mit gefühlsseliger Betroffenheitsgeste. Zentrales Medium ihrer subtilen Form der Annäherung ist eine lebensgroße Puppe, die den Jungen darstellt…. Allein die „Puppe„ ermöglicht es, wütende Trostlosigkeit und unfassbare Traurigkeit auszudrücken – ohne einen Anflug von Sentimentalität; nur sie macht es möglich, ins Innere einer Figur zu kriechen, ohne sich ihr intim anzunähern. Und so erlebt man mit jeder Geste, jedem Blick zugleich das Einzelschicksal und ahnt hinter dem schnellen Wechsel von Bockigkeit, Wut, Entsetzen und Hilflosigkeit das Leid Tausender. Ein doppelter Blick, der anrührt und zugleich mit künstlerischen Mitteln wie dem schnellen Wechsel der Themen und Gefühle auf Distanz hält. Auch hier freilich: Kein breites Ausmalen der Schikanen und entwürdigenden Überprüfungen – eher schlaglichtartige, kurze Einsprengsel, die Hilflosigkeit und Überforderung aller, auch die der Fluchthelfer und der Grenzschützer, anschaulich zeigen: Zeigen – nicht beschreiben. Und genau dies ist das erklärte Ziel von Habjans unprätentiöser Inszenierung: Dass die emotionale Hornhaut, die wir uns im Lauf der Jahre zugelegt haben, etwas dünner wird.
Stuttgarter Zeitung, Dorothee Schöpfer, 17.01.2022
„Der Enkel, neun Jahre alt, fasziniert von Computerspielen und seine Angst mit Dauergeplapper übertönend,
ist kein Schauspieler, sondern eine Puppe. Genauer: eine lebensgroße Klappmaulpuppe, geführt und gesprochen
von Adeline Rüss vom Studiengang Figurentheater der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst.
Und diese Puppe mit den aufgerissenen Augen ist ganz fix kein lebloses Ding mehr, sondern ein Kind,
dem wir alle seine Angste, seine Widerborstigkeit und Bedürftigkeit abnehmen.
Das gelingt nicht nur im Zusammenspiel mit einer anderen Puppe, dem Mädchen (geführt von Anniek Vetter),
… sondern auch im Spiel mit den Menschen…“
„Herausgekommen sind Figuren, die alles andere als erwartbar und immer mehr als nur Opfer sind.“